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Unsichtbarkeit und Geringschätzung

Unsichtbarkeit und Geringschätzung Posted on 15. August 2019

Man sagt bei Verhandlungen zwischen zwei Parteien, die verschiedene Sprachen sprechen, dass die Dolmetscher dann am besten waren, wenn sie am wenigsten bemerkt wurden. Also: Je kompetenter, umso unsichtbarer? Da mag etwas dran sein.

Ich habe in meiner Arbeitspraxis aber auch schon festgestellt: Je kompetenter, desto geringer bezahlt.

O-Ton eines Richters: „Das war aber eine gute Arbeit als Dolmetscherin. So schnell war ich ja noch nie fertig. Da merkt man doch gleich den Profi. Wenn Sie wüssten, wie lange sich manche Verhandlungen dahinziehen, weil die Dolmetscher so lange benötigen.“ Ja, dachte ich, und diese bekommen dann auch noch mehr Geld als der Profi, denn es wird nach Anwesenheitszeit abgerechnet. Darüber mochte ich mich nicht lange grämen, obwohl dieses Lob mir durchaus einen Stich versetzte, den der Richter gar nicht bemerkte.

Übersetzer*innen/Dolmetscher*innen schadet die im Alltag leider weit verbreitete Meinung, jeder, der etwas Englisch oder eine andere Fremdsprache kann oder als Ausländer Deutsch spricht, könnte auch dolmetschen oder übersetzen. Doch dies ist bei weitem nicht so. Übersetzen/Dolmetschen will gelernt sein und ist ebenso ein Beruf wie beispielsweise Lehrer*in, Notar*in oder Ingenieur*in. In den meisten Fällen haben Übersetzer*innen und Dolmetscher*innen diesen Beruf in einem langjährigen Universitätsstudium erlernt und als Abschluss einen akademischen Grad erlangt. Übersetzen/Dolmetschen ist harte, qualifizierte Arbeit, die meist auch bilingual aufgewachsene Menschen nicht einfach so ohne eine entsprechende Ausbildung ausführen können. Selbst Fremdsprachenlehrer*innen können nur im Ausnahmefall gut dolmetschen.

Einmal sollten wir für einen Oldtimerbesitzer einen alten Technikpass übersetzen. Unseren Kostenvoranschlag wies er entrüstet zurück. Auf Nachfrage, welchen Preis er denn für unsere Tätigkeit als angemessen erachte, kam ein Stundenlohn von 3 Euro heraus. Auf unseren Hinweis, dass er als Besitzer einer Autowerkstatt seinen Kunden auch einen viel höheren Stundenarbeitslohn berechnen würde, meinte er nur lapidar, dass das ja etwas ganz anderes sei. Und überhaupt – wofür solle man jemanden bezahlen, der doch „nur“ spricht und schreibt. Das könne doch jeder. Wir könnten das zufälligerweise eben auch noch in einer Fremdsprache. So viel Frechheit und Borniertheit hat uns dann doch die Sprache verschlagen. Ob er mit dieser Einstellung jemals zu einer Übersetzung kam, wage ich zu bezweifeln.

Vor allem seit 2015 macht sich eine neue Erscheinung breit: Man hört immer wieder, dass Kommunen für ihre Zwecke Dolmetscher*innen suchen, die möglichst für „umsonst“ arbeiten sollen, um so ihre Verbundenheit mit der Stadt oder Region unter Beweis zu stellen. Gegen ehrenamtliche Tätigkeit ab und an ist sicherlich nichts einzuwenden, aber Dolmetscher*innen sind in der Regel freiberuflich tätig und benötigen Geld fürs Wohnen, Essen, Kleiden etc. Durch eine solche Mentalität nimmt man professionellen Sprachendienstleistern die Möglichkeit, ein angemessenes Einkommen zu erzielen, und wertet gleichzeitig den Beruf als solchen stark ab.

Die Grenze ist dann erreicht, wenn das Ehrenamt bezahlte Berufe ersetzt. Oder wenn Menschen, die mit dem Geld der Steuerzahler ihren Lebensunterhalt bezahlt bekommen, Zusatzeinkommen erzielen, indem sie Dumpingpreise anbieten, mit denen die Profis nicht mithalten können.

Qualität wird erwartet, spielt aber in der Praxis der Kommunen eher keine große Rolle. Hauptsache billig oder kostenlos. Die größten Schäden kann dieser Standpunkt übrigens beim Dolmetschen im medizinischen Bereich anrichten. Der Einsatz von Laien aus Geiz, Sparsamkeitszwang, Unkenntnis oder Ignoranz kann unter Umständen Leben kosten.

Wir setzen uns in unserem Berufsverband der Dolmetscher und Übersetzer, dem BDÜ, dafür ein, dass unsere Berufe stärker gewürdigt und als das betrachtet werden, was sie tatsächlich sind:  qualifizierte Tätigkeiten, die eine solide Ausbildung, regelmäßige Weiterbildung und umfangreiche Erfahrung erfordern. Und diese anspruchsvollen Tätigkeiten sollten auch angemessen vergütet werden.

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