- Die deutsche Wirtschaft ist wegen struktureller Veränderungen des Wirtschaftsmodells und des Welthandels hinter den anderen Ländern der Eurozone zurückgeblieben. Um sie wieder anzukurbeln, wären enorme Investitionsanstrengungen erforderlich. Ökonomen empfehlen, den Rückstand innerhalb von zehn Jahren durch massive Infrastrukturinvestitionen aufzuholen.
- Vor den Wahlen im Februar schlagen viele Parteien vor, die Schuldenbremse zu reformieren. Während im nächsten Jahr nicht mit einem großen Konjunkturprogramm gerechnet werden sollte, könnten selbst bescheidene Reformen die Stimmung von Investoren aufhellen, insbesondere wenn sie mit einem neuen Sondervermögen für Verteidigungsausgaben verbunden werden.
- Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2023 schließt die Möglichkeit einer neuen außerbudgetärer Verschuldung in Deutschland nicht aus. Das Gericht betonte zwar, dass Sonderfonds ihrem Zweck dienen müssen, doch der nach dem Einmarsch in der Ukraine erfolgreich eingerichtete 100-Milliarden-Verteidigungsfonds deutet darauf hin, dass ähnliche Initiativen zur Deckung dringender Bedürfnisse ergriffen werden könnten.
In Deutschland steht die schwache Wirtschaftsleistung der letzten zwei Jahre im Mittelpunkt. Nachfrageseitig scheint es keine Bereiche zu geben, die Konjunktur kurzfristig stützen können. Der im dritten Quartal verzeichnete Anstieg von Löhnen und Gehältern ist erheblich (+8.8% auf Jahressicht), ist aber in erster Linie das Ergebnis einmaliger Zahlungen, die die vergangene Inflation ausgleichen sollen. Eine größere Lohnzurückhaltung ist in Schlüsselsektoren wie der Metallindustrie bereits spürbar. Außerdem zeichnet sich, ab dass sich der Arbeitsmarkt abschwächt. Exporte, die Industrieproduktion und der Bausektor belasten die Konjunktur. Die politische Unsicherheit infolge der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 dürfte die Ausgaben der privaten Haushalte und die Unternehmensinvestitionen zu Beginn des Jahres belasten, zumal die Kreditkonditionen restriktiv bleiben. Die Bundesbank rechnet für 2025 mit einer großen Zahl von Unternehmensinsolvenzen.
Keine vorübergehende Schwäche
Das reale BIP stagniert in Deutschland seit fünf Jahren (seit 2019 nur um +0,1 %) Die deutsche Wirtschaft schneidet wegen struktureller Veränderungen schlechter ab als die anderen Volkswirtschaften der Eurozone. Der Automobilsektor steckt in der Krise, und der Welthandel stützt die Exporte nicht mehr so stark wie in der Vergangenheit. Deutschland steht vor einer Reihe von Herausforderungen. Gleichzeitig leidet die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie unter den steigenden Energiekosten und der zunehmenden Konkurrenz durch hochwertige Produkte aus China. Die rasche Alterung der Bevölkerung, die schneller erfolgt als in der übrigen Eurozone, schmälert ebenfalls das Potenzialwachstum der deutschen Wirtschaft, schätzungsweise 0,8 %.
Donald Trump und die Bedrohung für die deutsche Industrie
Wenn Zölle eingeführt werden, könnte dies die deutsche Wirtschaft 0,6 Prozentpunkte Wachstum kosten, so die Bundesbank. Die Uneinigkeit über die Haushaltsmaßnahmen, die zur Bewältigung der Bedrohungen und Herausforderungen ergriffen werden sollen, ist weitgehend für das Auseinanderbrechen der Regierungskoalition verantwortlich. Die deutsche Regierung prognostiziert für 2025 einen Wiederanstieg des realen BIP um 1,1 % (nach einem Rückgang von etwa 0,1 % in 2024) dank einer günstigen Entwicklung des real verfügbaren Haushaltseinkommens. Abwärtsrisiken haben jedoch zugenommen Die Europäische Kommission ist vorsichtiger und erwartet für 2025 ein Wachstum von 0,7 %. Am 13. Dezember hat die Bundesbank ihre eigenen BIP-Wachstumsprognosen für 2025 von 1,1 % auf 0,2 % und für 2026 von 1,4 % auf 0,8 % revidiert. Diese starke Revision soll eine expansive Finanzpolitik fördern.
„Um sein Investitionsdefizit abzubauen, sollte Deutschland seine Wirtschaft in den kommenden Jahren ankurbeln. Eine mögliche Reform der Haushaltsregeln und ein Sondervermögen für Verteidigungsausgaben wären positive Schritte, die die Stimmung der Investoren verbessern könnten.“
Ein enormes Defizit bei öffentlichen Investitionen
Mehrere deutsche Institute haben das Investitionsdefizit auf 600 Mrd. Euro geschätzt, was 14 % des BIP im Jahr 2024 entspricht, ohne Berücksichtigung des Bedarfs an Verteidigungsausgaben, der auf 30 Mrd. Euro pro Jahr geschätzt wird (0,7 % des BIP). Dieser Mangel an Investitionen kann Deutschlands Zukunft bedrohen. Ökonomen empfehlen, den verlorenen Boden innerhalb von zehn Jahren durch massive Infrastrukturinvestitionen aufzuholen.
Um dieses Ziel zu erreichen, müsste der Staat seine Wirtschaft jedes Jahr um 1,5 % des BIP ankurbeln, was jedoch wegen der Schuldenbremse derzeit nicht möglich ist. Das Problem zu geringer Investitionen hängt nicht nur mit dem Mangel an verfügbaren Mitteln zusammen, sondern auch mit der übermäßigen Bürokratie, die für den Rückstand bei den öffentlichen Investitionen verantwortlich gemacht wird.
Eine zunehmend umstrittene Steuerregel
Deutschland befindet sich derzeit in einer haushaltspolitischen Sackgasse. Die 2009 im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse begrenzt das strukturelle (d. h. konjunkturbereinigte) Haushaltsdefizit auf 0,35 % des BIP pro Jahr. Diese seit 2020 wegen der Corona-Krise ausgesetzte Regel wurde im Haushalt 2024 wieder eingeführt. In einer stagnierenden Wirtschaft besteht die Notwendigkeit, diese Regel zu reformieren. Es wurden mehrere Reformvorschläge mit unterschiedlichem Ehrgeiz vorgelegt. Mit einer öffentlichen Verschuldung von 63 % des BIP im Jahr 2024 (gegenüber etwa 110 % in Frankreich) hat Deutschland einen großen Haushaltsspielraum, um Investitionen zu erhöhen, ohne seine öffentliche Verschuldung auf einen nicht nachhaltigen Pfad zu bringen.
Die Reform der Schuldenbremse zur Unterstützung von Investitionen findet bei vielen Parteien Unterstützung, mit Ausnahme der FDP. CDU, SPD und die Grünen, die jüngsten Umfragen zufolge wahrscheinliche Koalitionspartner sind, befürworten diese Reform. Während ein größeres Konjunkturprogramm im nächsten Jahr nicht zu erwarten ist, könnten die vorgeschlagenen Steuererleichterungen ab 2026 Mittel in Höhe von 0,5 % bis 1,0 % des BIP pro Jahr freisetzen. Selbst bescheidene Reformen könnten die Investorenstimmung in 2025 positiv beeinflussen, insbesondere wenn sie mit einem neuen Sondervermögen für Verteidigungsausgaben einhergehen.
Auf dem Weg zu neuen Sondervermögen?
In den 2020er Jahren hat die Nutzung von Sondervermögen erheblich zugenommen. Nach Angaben der Bundesbank beläuft sich das gesamte potenzielle (mehrjährige) Defizit in 2022 auf 400 Mrd. Euro, d. h. auf etwa 10 % des BIP im Jahr 2023. Zum Vergleich: Die Schuldenbremse hätte im Jahr 2023 nur eine Kreditaufnahme von 13 Mrd. erlaubt. Im Haushaltsrecht des Bundes ist ein Sondervermögen ein eigenständiger Nachtragshaushalt, der eine bestimmte Aufgabe erfüllen soll. Sondervermögen bedürfen wie der Haushalt der Zustimmung der Mehrheit der Abgeordneten und unterliegen der Kontrolle durch das Parlament.
Diese außerbudgetären Mittel wurden zur Umgehung von Haushaltsregeln – insbesondere der Schuldenbremse – genutzt. Die Umwidmung der zur Bewältigung der Corona-Folgen vorgesehen Mittel von 60 Mrd. Euro in einen speziellen Klima- und Transformationsfonds wurden vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten. Im November 2023 erklärte das Gericht diese für verfassungswidrig, da ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der festgestellten außergewöhnlichen Notsituation und der Überschreitung der Verschuldungsgrenzen bestehen müsse. Wichtig ist jedoch, dass das Verfassungsgericht die Verwendung dieser Mittel nicht untersagt hat. Es hat sich lediglich gegen den Grundsatz der Zweckentfremdung ausgesprochen. Für das Verfassungsgericht dürfen Sondervermögen also nur für den Zweck verwendet werden, für den sie bestimmt sind.
Es ist bemerkenswert, dass das nach dem Einmarsch in die Ukraine im Jahr 2022 eingerichtete 100-Milliarden-Sondervermögen zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands von der Entscheidung des Verfassungsgerichts im November 2023 nicht betroffen war. Dies deutet darauf hin, dass ein neues Sondervermögen desselben Typs für die Verteidigung oder sogar zur Finanzierung anderer Bedürfnisse eingerichtet werden könnte.
Aktien
Der deutsche Aktienmarkt: ein aufsteigender Stern in Europa
ERIC MIJOT, HEAD OF EQUITY STRATEGY, AMUNDI INVESTMENT INSTITUTE
„Der hohe Anteil an Industrie-, Technologie- und Finanzsektoren in Verbindung mit günstigen Gewinnaussichten macht den Dax zu einem attraktiven Markt für Anleger“
In 2024 war der DAX unter den europäischen Aktienmärkten ein Top-Performer. Er erzielte bis zum 16. Dezember 2024 einen beachtlichen Zuwachs von 21%. Diese Performance steht in starkem Kontrast zum Eurostoxx 50, der nur um 13 % (total return) gestiegen ist, und zum breiter gefassten Stoxx 600-Index, der nur um 11 % (total return) zulegte.
Neben dem internationalen Fokus (82 % der Umsätze werden außerhalb Deutschlands erzielt) ist einer der Erfolgfaktoren des DAX seine Branchenzusammensetzung. Der Index weist eine hohe Allokation in Industriewerten (25 %) und Technologie (19 %) auf. Dieser Fokus hat es dem DAX ermöglicht, von langfristigen Themen wie Verteidigung, Klimawandel und der fortschreitenden digitalen Transformation zu profitieren. Darüber hinaus hat die hohe Gewichtung des Finanzsektors (20 %) die Performance unterstützt. Der Finanzsektor hat in diesem Jahr in ganz Europa starke Zuwächse verzeichnet, und der DAX hat von dieser Dynamik besonders profitiert.
Perspektivisch sind die Gewinnerwartungen für den DAX vielversprechend, mit einem prognostizierten Plus von 11 in den nächsten 12 Monaten, was deutlich über den Erwartungen für den breiteren europäischen Markt liegt (7 % laut IBES). Der Dax nimmt somit unserer Erwartung nach eine herausragende Rolle ein. Im Vergleich zum übrigen Europa bietet der Dax eine hohe Gewichtung zyklischer und global tätiger Unternehmen.
Auch wenn der Dax kurzfristig überkauft ist, dürfte diese vorteilhafte Positionierung in Verbindung mit der attraktiven Sektorzusammensetzung auch 2025 das Anlegerinteresse wecken. Das Hauptrisiko ist die hohe Konzentration des Index, da nur vier Werte 41 % seiner Marktkapitalisierung ausmachen.
Quelleninformationen und weitere Angaben finden Sie in den aktuellen Research: „Germany’s path ahead“ als Teil der aktuellen Cross Assets für Dezember 2024 sowie im Amundi Research Center.
Rechtliche Hinweise: Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Informationen in diesem Dokument von dem Amundi Asset Management und sind Stand 18. Dezember 2024. Die in diesem Dokument vertretenen Einschätzungen der Entwicklung von Wirtschaft und Märkten sind die gegenwärtige Meinung des Amundi Asset Management. Diese Einschätzungen können sich jederzeit aufgrund von Marktentwicklungen oder anderer Faktoren ändern. Es ist nicht gewährleistet, dass sich Länder, Märkte oder Sektoren so entwickeln wie erwartet. Diese Einschätzungen sind nicht als Anlageberatung, Empfehlungen für bestimmte Wertpapiere oder Indikation zum Handel im Auftrag bestimmter Produkte des Amundi Asset Management zu sehen. Es besteht keine Garantie, dass die erörterten Prognosen tatsächlich eintreten oder dass sich diese Entwicklungen fortsetzen.
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