„Gerade in der Grenzregion gehören grenzüberschreitende Dienstleistungen zum Geschäftsalltag. Handwerker sind wichtige, weil unersetzliche Erbringer von Dienstleistungen für gewerbliche wie auch private Kunden. Das gilt für deutsche Handwerksbetriebe, die zwischen Straßburg, Colmar und Mulhouse arbeiten und französische Kollegenbetriebe, die auf der deutschen Seite des Rheins Aufträge abarbeiten“, betonte Jean-Luc Hoffmann, Präsident der Chambre de Métiers d’Alsace. Für die Unternehmer seien aber Bürokratie und der damit zusammenhängende Verwaltungsaufwand die größten Hindernisse für die Leistungserbringung in der Grenzregion. Rainer Reichhold, Präsident der Handwerkskammer Region Stuttgart, bestätigte, dass die Tendenz von Unternehmen, im Nachbarland zu arbeiten, aufgrund der Belastungen seit Jahren rückläufig ist. „Wir kritisieren, dass die nationale Gesetzgebung unserer Länder nicht den Handlungsspielraum gewährt, der im Interesse der Unternehmen beider Grenzregionen liegt.“
Nach Ansicht beider Seiten seien formelle Auflagen in der grenzüberschreitenden Dienstleistung zwar nötig, um Lohndumping zu vermeiden und Arbeitnehmer zu schützen, aber die damit verbundene Bürokratiebelastung sei unverhältnismäßig hoch und unzumutbar. „Da müssen wir ran, damit die Wertschöpfung auf den Baustellen im Mittelpunkt der Aufträge steht und nicht die begleitende und lähmende Zusatzarbeit im Büro“, so die Teilnehmer.
So klagen beispielsweise deutsche Unternehmen, wenn sie in Frankreich tätig werden wollen, dass bei jedem neuen Auftrag der Baustellenausweis neu bei den öffentlichen Stellen beantragt werden muss – auch wenn dieselben Mitarbeiter entsandt werden. Außerdem muss eine Person als Vertreter offiziell benannt werden, die der französischen Sprache mächtig ist. Werden energetische Sanierungsmaßnahmen durchgeführt, ist eine mehrtägige französischsprachige Schulung mit Abschlussprüfung notwendig. Zahllose mitzuführende Unterlagen, Tarifverträge und Versicherungsanforderungen komplettieren die Hemmnisse. Ähnliches kommt auf französische Betriebe zu. Für das Arbeiten in Deutschland müssen die Mitarbeiter in Meldeportalen wegen des Mindestlohns aufwendig registriert werden. Komplizierte Umsatzsteuererklärungen und die Zertifizierung für Elektro-, Gas- und Sanitärarbeiten müssen nachgewiesen werden.
Beim Treffen in Stuttgart bekräftigten die deutsche wie auch die französische Seite, dass die Themen Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Mobilität und Energie sowie Innovationskraft die Arbeit der Organisationen eng verbinden. Auch die Suche nach qualifizierten Arbeitskräften beschäftigt die Kammern diesseits und jenseits des Rheins. Thema der Gespräche war zudem die Wiederbelebung der grenzüberschreitenden Lehrlingsausbildung und die Förderung der Zweisprachigkeit.
Der Binnenmarkt der Europäischen Union hat für Handwerksbetriebe eine besondere Bedeutung. Er garantiert den freien Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehr und ermöglicht die freie Erbringung von Dienstleistungen für Handwerker. Aus diesem Grund halten die beiden Handwerkskammern es für äußerst wichtig, im Dialog zu bleiben. Nur so sei ein gemeinsames Verständnis darüber zu erreichen, wie Dienstleistungen und Waren frei fließen können.
Zur Info:
Zwischen der Chambre de Métiers d’Alsace (CMA), der Handwerkskammer Elsass, und der Handwerkskammer Region Stuttgart besteht seit 1965 eine partnerschaftliche Beziehung. Die Elsässische Handwerkskammer vertritt die Interessen von mehr als 50.000 Unternehmen, die 6.000 Lehrlinge ausbilden. Die Handwerkskammer Region Stuttgart unterstützt etwa 31.000 Betriebe. Knapp 10.000 Azubis sind dort in einem der 130 Berufe in Ausbildung. Bereits seit 1962 pflegt die Landeshauptstadt Stuttgart eine Städtepartnerschaft mit der elsässischen Metropole Straßburg.
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