Hauptanliegen der Konferenz war die Erörterung der Rolle von Technologie- und Branchenclustern für die regionale Entwicklung der Ukraine mit Fokus auf den Wiederaufbau sowie der Potentiale im Bereich der Forschungs- und Industriekooperation, welche sich in diesem Kontext durch eine Zusammenarbeit mit etablierten europäischen Clustern ergeben.
Im Rahmen der engen Kooperation zwischen CU und PKTK war es unserem Mitarbeiter Martin Kretschmann möglich, die polnische Delegation zu begleiten. Teil der Delegation waren RepräsentantInnen der regionalen Verwaltung, nationaler Technologiecluster, von Universitäten und Forschungsinstituten, des Krakauer Technologieparks und diverser Unternehmen.
Bereits während der Anreise besuchte die Delegation als ersten Programmpunkt den unweit der polnisch-ukrainischen Grenze gelegenen „Industrial Park Global Development“ in Horodok, welcher mit sämtlicher für industrielle Ansiedlungen notwendigen Infrastruktur wie Hallen, Bauflächen, Logistikterminals und Wohnkomplexen aufwartet. Geschäftsführer Sergiy Badyak und Bürgermeister Wladimir Remenjak präsentierten im Rahmen einer Rundfahrt über das Gelände die aktuellen Gegebenheiten und zeigten in einem anschließenden Vortrag die Potentiale des Standortes aufgrund der wichtigsten Logistikrouten zwischen Polen und der Ukraine und sprachen über ihre langfristige Vision über den Wiederaufbau der Ukraine hinaus.
Beide unterstrichen hierbei die – trotz der offensichtlichen Risiken im Zusammenhang mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine – enormen Chancen für Investoren, welche sich bereits jetzt für die Ukraine entscheiden. Zu erwähnen wäre hierbei, dass die Westukraine als verhältnismäßig sicher eingestuft wird. Zur geografischen Einordnung: Aus Lwiwer Perspektive liegt Berlin geografisch näher als Donetsk. Im Anschluss konnten bei einem herzlichen Empfang und Abendessen Kontakte mit den ukrainischen und polnischen KollegInnen geknüpft werden.
Gastgeber der Konferenz am Folgetag (06. Juni 2023) war die Polytechnische Universität Lwiw, welche die historische Aula als Tagungsort zur Verfügung stellte. Über eine Führung erhielten die Gäste Einblicke in die wechselhafte Geschichte der Region und damit auch der Hochschule, welche zu Zeiten des Kaiserreichs Österreich-Ungarn gegründet wurde, dann nach dem Ersten Weltkrieg eine der bedeutendsten technischen Universitäten der II. Polnischen Republik darstellte und ihre wichtige Stellung auch in der Sowjetunion und seit 32 Jahren in der unabhängigen Ukraine bewahren konnte.
Die von Alexandre Yurchak (Ukrainian Cluster Alliance) moderierte Tagung umfasste Keynotes, Pitchings, Paneldiskussionen und Workshops, welche sowohl einen Überblick zum aktuellen Stand des Wiederaufbaus der kriegsversehrten Gebiete und damit verbundener Leitthemen gaben als auch die Möglichkeit baten, die Rolle ukrainischer, polnischer und deutscher Cluster bei der technologischen und wirtschaftlichen Unterstützung zu diskutieren. Für die Ukraine spielt eine nachhaltige Entwicklung auch hierbei eine spartenübergreifende Schlüsselrolle. Diesbezüglich existieren eine starke Orientierung der politischen Entscheidungsträger am Green Deal der EU und entsprechende Aktivitäten und Ambitionen ukrainischer Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft.
Die ukrainischen Vertreterinnen und Vertreter machten deutlich, dass sie neben der willkommenen technologischen Unterstützung ebenfalls möglichst schnell Investoren für ihr Land gewinnen wollen. Entsprechende Sonderwirtschaftszonen und Industrieparks, wie der besichtigte in Horodok, sind bereits in der Realisierungsphase. Neben dem Wiederaufbau und der Ertüchtigung beschädigter Wohngebäude und ziviler Infrastur sehen sie dabei weitere Schwerpunkte in der Medizintechnik, der Rüstung sowie der Kreislaufwirtschaft.
Im Rahmen seines Vortrages stellte Martin Kretschmann den CU und dessen Internationalisierungsaktivitäten mit Fokus auf Polen vor, wobei er dazu einlud, diese auch in trilateraler Form für die Unterstützung der Ukraine zu erweitern. Bestehende Veranstaltungs- und Anbahnungskonzepte können hier als Blaupause dienen, um effizient Kooperationspotentiale zu eruieren, Kontakte zu intensivieren und konkrete Projekte anzubahnen. Überdies stellte Martin Kretschmann, als Teilnehmer einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Clusters 2 Clusters“, die Relevanz von Clustern als zentraler Ansprechpartner und Unterstützer regionaler Wertschöpfungsketten als auch die überregionale Rolle von Technologienetzwerken als branchenübergreifender Enabler für die synergetische Nutzung vorhandener Ressourcen und Kompetenzen dar. Die ukrainischen Teilnehmenden zeigten in abschließenden Gesprächen ein großes Kooperationsinteresse im Faserverbundbereich, wobei auch die Vorteile eines entsprechenden Technologienetzwerkes in der Ukraine diskutiert wurden.
Martin Kretschmann bewertet die Delegationsreise trotz des ernsten Hintergrundes sehr positiv: “Es ist beeindruckend und gleichzeitig ermutigend, dass trotz der erschütternden Kriegshandlungen in der Ukraine eine solche Konferenz stattfinden kann. Für deutsche Akteure im Bereich der Faserverbundtechnologien ergeben sich hier vielfältige Partizipationspotentiale. Angefangen von geförderter Kooperation im Entwicklungsbereich unter Teilhabe von Hochschulen und Instituten bis hin zu Exportmöglichkeiten für dringend benötigte Komponenten, Systeme und Technologien. Darüber hinaus bieten sich Ansiedlungsmöglichkeiten mit steuerlichen Vorteilen und Zugang zu qualifizierten Arbeitskräften zu wettbewerbsfähigen Lohnkosten auf einem potentiellen Zukunftsmarkt.“
Eine Fortführung der Kooperationsanbahnung ist auf der Fachmesse Kompozyt Expo geplant, welche vom 4. – 5. Oktober 2023 in Krakau stattfindet und zu welcher Dr. Andrzej Czulak (PKTK), Paweł Niklinski (Messe Krakau) und Jerzy Kopeć (Marschallamt der Woiwodschaft Kleinpolen) die Ukraine als Partnerland einluden. Der Wiederaufbau der Ukraine wurde bereits als Leitthema der Messe definiert. Auch für CU-Mitglieder ergeben sich – wie bereits im vergangenen Jahr – Möglichkeiten zur Partizipation. So ist der CU erneut Mitorganisator des PKTK-Gemeinschaftsstandes und damit auch der Messekonferenz. Die Messe in Krakau, welches sich auf Grund seiner Lage auch langfristig als Hub für die Ukraine-Unterstützung anbietet, stellt somit die nächste Gelegenheit dar, spezifische Bedarfe und Potentiale zu identifizieren und entsprechende internationale Projekte abzuleiten. Überdies ist bereits in Planung, die ukrainischen Partner in europäische Netzwerkformate im Bereich der Leichtbautechnologien einzubinden.
Composites United e.V. (CU) ist eines der weltweit größten Netzwerke für faserbasierten multimaterialen Leichtbau. Rund 350 Mitglieder haben sich zu diesem leistungsstarken Industrie- und Forschungsverbund zusammengeschlossen. Mehrere Regional- und Fachabteilungen tragen die Vereinsaktivitäten in der gesamten DACH-Region, dazu kommen internationale Vertretungen in Japan, Süd-Korea, China und Indien.
Der Composites United e.V. entstand mit Wirkung zum 01. Januar 2019 aus der Fusion der beiden vorbestehenden Vereine Carbon Composites e.V. und CFK Valley e.V. Sitz des Composites United e.V. ist Berlin, daneben bleiben Augsburg und Stade als eingeführte Standorte erhalten.
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