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Verschlechterung der Zahlungsmoral in Deutschland droht

Verschlechterung der Zahlungsmoral in Deutschland droht Posted on 8. November 2022

  • Studie des internationalen Kreditversicherers Atradius: Politische und wirtschaftliche Herausforderungen sorgen für eine tiefe Verunsicherung
  • Verlangsamte Zahlungsabläufe führen zu Cashflow-Problemen
  • Unternehmen ergreifen weitreichende Maßnahmen

Mehr als die Hälfte der deutschen Chemie-, Bau- und Transportunternehmen erwartet für das Jahr 2023 eine Verschlechterung der Zahlungsmoral ihrer Geschäftskunden. Das ist eines der Ergebnisse der jährlichen Umfrage des internationalen Kreditversicherers Atradius zur Zahlungsmoral in Deutschland in ausgewählten Branchen. „Die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen sorgen für eine tiefe Verunsicherung, denn die verlangsamten Zahlungsabläufe bei B2B-Kunden können zu anhaltenden Cashflow-Problemen führen“, analysiert Frank Liebold, Country Director Deutschland beim internationalen Kreditversicherer Atradius. Befragt wurden rund 200 Unternehmen aus den Bereichen Chemie, Bau und Transport.

Das zentrale, branchenübergreifende Problem ist laut der Atradius-Studie: Wenn Unternehmen Lieferanten bezahlen müssen, bevor sie die Zahlungen von ihren eigenen B2B-Kunden erhalten haben, ist ihre Liquidität ernsthaft gefährdet. Die Chemiebranche reagierte angesichts dieses Risikos mit der Forderung an ihre Kunden, Rechnungen schneller zu begleichen. So sollten mehr flüssige Mittel im Unternehmen gehalten und die Nutzung externer Finanzquellen vermieden werden. Das Resultat war, dass sich die Zahlungsfrist in der Branche von 66 Tagen im letzten Jahr auf derzeit 41 Tage verkürzte. Dennoch verzeichneten die deutschen Chemiebetriebe einen deutlichen Anstieg bei lange ausstehenden Rechnungen.

Auch in der Baubranche verschärft sich die Lage. Die Zahl der Insolvenzen stieg im ersten Halbjahr 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 19 %. Darüber hinaus erhält Atradius nach eigenen Angaben zunehmend Nichtzahlungsmeldungen. „Kleine und mittelgroße Unternehmen sind stärker betroffen“, so Frank Liebold. Dabei hatte sich die Situation zum Zeitpunkt der Befragung (Mai bis Mitte Juli 2022) noch weniger dramatisch dargestellt: 86 % des Gesamtwertes aller Verkäufe der Branche an B2B-Kunden wurden pünktlich bezahlt – lediglich 12 % der Zahlungen waren überfällig. Ein weiterer wichtiger Indikator für die Verschärfung der Lage war laut der Studie, dass die als uneinbringlich abgeschriebenen Forderungen 2 % ausmachen. In der Chemiebranche liegt der Vergleichswert bei 5 % und im Transportgewerbe mit 6 % dreimal so hoch.

Auch das Transportwesen erzielte dank umfangreicher Maßnahmen einen Rückgang der überfälligen B2B-Rechnungen um durchschnittlich 30 %. Diese machen derzeit einen Anteil von 38 % vom Gesamtwert aller B2B-Umsätze aus. Im letzten Jahr lag ihr Anteil bei 54 %. „Dadurch, dass weniger Liquidität in ausstehenden Forderungen gebunden war, verringerte sich die Abhängigkeit von externer Finanzierung“, erklärt Frank Liebold.

Branchenübergreifende Maßnahmen zur Sicherung des Cashflows

Angesichts der Unsicherheiten wurden branchenübergreifend zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um den Cashflow zu sichern. Dazu zählten in der Chemie neben der Verkürzung der Zahlungsfristen, dass Zahlungen an Lieferanten hinausgeschoben wurden, um flüssige Mittel im Unternehmen zu halten. Vielfach wurden zudem – wie auch in der Transportbranche – Skonti für vorzeitige Zahlungen gewährt.

Im Baugewerbe zahlte sich die robuste Strategie für das Debitorenmanagement vor Verkäufen mit vereinbartem Zahlungsziel und während der Zahlungsfrist aus. Die befragten Betriebe gaben laut Studie an, potenzielle Kunden einer strengeren Bonitätsprüfung zu unterziehen und dabei insbesondere die Wahrscheinlichkeit einer fristgerechten Zahlung zu prüfen. Darüber hinaus implementierten sie konsequente Prüfungen der Wartezeit zwischen dem Verkauf auf Ziel und der Zahlung durch den Kunden. So konnten sie Beträge effektiv einziehen und mussten seltener auf externe Finanzierungsquellen zurückgreifen. „Trotz der bereits eingeleiteten internen Maßnahmen ist bei vielen Unternehmen das Interesse an Kreditversicherungen deutlich gestiegen“, betont Frank Liebold.

Chemie, Bau und Transport sehen dunkle Wolken über dem Jahr 2023

Der Ausblick auf das Jahr 2023 ist unter den befragten deutschen Chemiefirmen pessimistisch. Ein länger anhaltender Abschwung der weltweiten Konjunktur bereitet 40 % von ihnen Sorgen. Eine erhebliche Anzahl befürchtet ein steigendes Risiko für Zahlungsausfälle von B2B-Kunden und daraus resultierende Liquiditätsengpässe. Wenig hilfreich ist in dieser Situation die Unsicherheit hinsichtlich hoher Energiepreise, anhaltender Lieferkettenstörungen und geopolitischer Spannungen. Die Zukunftssorgen äußern sich in einer erheblichen Verschlechterung des Geschäftsklimas. Nur 59 % der befragten Unternehmen gaben an, sie seien optimistisch, was ihr eigenes Wachstum und das Zahlungsverhalten von Kunden in den kommenden zwölf Monaten angeht. Im vergangenen Jahr lag dieser Wert noch bei 83 %.

In der Baubranche dominieren aktuell große Sorgen beim Blick in die Zukunft. 78 % der befragten Unternehmen befürchten, dass die Preise für wichtige Baumaterialien durch die globale Unsicherheit infolge von geopolitischen Spannungen, Lieferkettenstörungen und steigenden Energiekosten in die Höhe getrieben werden. Zusätzlich belasten das Fehlen von Fachkräften, insbesondere aus dem Ausland, und fehlende Preisgleitklauseln. Zudem führen stark gestiegene Zinsen zu einem Rückgang bei den Investitionen. Gleichzeitig werden die Banken restriktiver. Hinzu kommen ein rückläufiger Auftragsbestand und eine damit einhergehende Verschlechterung der Ergebnissituation.

In das pessimistische Gesamtbild passt auch, dass 61 % der befragten Baufirmen ihre Wachstumsaussichten für das nächste Jahr negativ einschätzen. Besorgniserregend ist zudem, dass nur 31 % die Entwicklung des Zahlungsverhaltens von Kunden optimistisch beurteilten (gegenüber 64 % im letzten Jahr). Auch die Stimmung zur Forderungslaufzeit hat sich verändert: 75 % der Unternehmen gaben an, in den kommenden Monaten keine signifikanten Schwankungen der Forderungslaufzeit zu erwarten. Das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Wert von 33 % aus dem letzten Jahr. Dies legt nach den Worten von Frank Liebold nahe, dass sich die deutsche Bauwirtschaft auf ein effektives Inkasso konzentrieren wird, um einen ausreichenden Cashflow sicherzustellen.

Eingetrübt sind die Aussichten auch unter den Transporteuren. Die befragten Betriebe rechnen für die nächsten zwölf Monate mit einer Verschlechterung der Zahlungsmoral von B2B-Kunden. Nur 36 % erwarten eine Verbesserung, verglichen mit 64 % im letzten Jahr. Frank Liebold: „Dieses Ergebnis ist Ausdruck einer tiefen Besorgnis angesichts eines langsameren oder ausbleibenden Aufschwungs in Branchen, mit denen der Transportsektor stark verflochten ist.“ Es spiegele auch die Angst vor anhaltenden Störungen der Lieferketten wider, die sich auf die Branche besonders stark auswirken. Außerdem brachten die befragten deutschen Transporteure ihre großen Befürchtungen über einen anhaltenden Abschwung der Weltwirtschaft zum Ausdruck. Gleichzeitig äußersten sie sich recht zuversichtlich über ein potenzielles Unternehmenswachstum. Die Firmen erwarten, dass die Forderungslaufzeit relativ stabil bleiben wird, was möglicherweise den Aufwärtstrend bei der Nutzung von Kreditversicherungen innerhalb der Branche widerspiegelt.

Die detaillierte Umfrage finden Sie unter diesem Link.

Über Atradius Kreditversicherung

Atradius ist ein globaler Anbieter von Kreditversicherungen, Bürgschaften, Inkassodienstleistungen und Wirtschaftsinformationen mit einer strategischen Präsenz in mehr als 50 Ländern. Die von Atradius angebotenen Produkte schützen Unternehmen weltweit vor den Ausfallrisiken beim Verkauf von Waren und Dienstleistungen auf Kredit. Atradius ist Mitglied der Grupo Catalana Occidente (GCO.MC), einer der größten Versicherer in Spanien und einer der größten Kreditversicherer der Welt. Weitere Informationen finden Sie online unter www.atradius.de.

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