Eingriffe an der Wirbelsäule gehören zu den häufigsten Operationen in der Bundesrepublik Deutschland. Mit Schlagzeilen wie "Sinnlos unters Messer" oder "Unsinnig, gefährlich, teuer" sind diese Eingriffe immer wieder skandalisiert worden. Was ist die beste Vorgehensweise? "Bei einem Bandscheibenvorfall oder einer verschleißbedingten Einengung des Wirbelsäulenkanals gibt es nur wenige Situationen, in denen sofort operiert werden muss", sagt Professor Dr. Mario Perl, Direktor der Unfallchirurgischen und Orthopädischen Klinik am Universitätsklinikum Erlangen-Nürnberg und einer der beiden Präsidenten der VSOU-Jahrestagung. "Bei relevanten akuten und fortschreitenden Lähmungen oder Störungen der Blasen- oder Darmfunktion wird man an einer Operation nicht vorbeikommen. Ansonsten gilt: Die Therapie muss individualisiert werden. Dabei ist die Operation nur eine mögliche Option. Oft ist auch eine konservative Therapie zielführend."
Allerdings dürfe man auch nicht den richtigen Zeitpunkt für eine Operation verpassen, so Professor Perl weiter. Die Ergebnisse seien besser, wenn die Schäden noch nicht zu ausgeprägt seien. Auch die Chronifizierung der Schmerzen müsse verhindert werden. Auf der anderen Seite brauche die konservative Therapie Zeit und dürfe nicht zu schnell aufgegeben werden. "Die richtige Therapie bewegt sich in diesem Spannungsfeld", sagt Professor Perl. "Dabei muss die Frage, ob es Zeit für eine Operation ist, immer wieder neu gestellt und beantwortet werden. Es geht um ein fortlaufendes Abwägen. Was geht noch, was geht nicht mehr? Dann sollte zusammen mit den Patientinnen und Patienten über den nächsten Schritt entschieden werden. Sinnvoll ist auch, sich in einer Einrichtung behandeln zu lassen, die über alle Optionen der konservativen und operativen Orthopädie und Unfallchirurgie verfügt", so der Klinikchef weiter. "So lässt sich die Therapie am besten individualisieren und den Kranken stehen alle Therapieoptionen zur Verfügung".
Keine MRT-Bilder operieren, sondern Patienten Die Crux beim Rückenschmerz liegt darin, dass die Beschwerden nicht immer zu den MRT-Bildern passen. Einige Kranke haben starke Schmerzen, aber keinen nennenswerten MRT-Befund, bei anderen ist es genau umgekehrt. "Es geht nicht darum, ein MRT-Bild zu operieren", sagt Dr. Johannes Flechtenmacher von der Praxis Ludwigsplatz – Ortho-Zentrum Karlsruhe und zweiter Präsident der VSOU Jahrestagung. "Es muss eine Schmerzursache geben, die sich auch mit einer Operation adressieren lässt. Sonst macht der Eingriff keinen Sinn. Beim Rückenschmerz steht die Operation immer in Konkurrenz zum Spontanverlauf. Nur einer von 78 Kranken mit Rückenschmerzen wird am Ende operiert. Allen anderen hilft eine konservative Therapie". Auch für Professor Perl ist wichtig, dass Krankengeschichte, körperliche Untersuchung und MRT-Aufnahmen kohärent sind. "Wenn das alles nicht zusammenpasst, ist die Operation keine Lösung".
Beide Kongresspräsidenten begrüßen das Zweitmeinungsverfahren. "Eine zweite Meinung hilft, eine Behandlungsentscheidung gutzuheißen, egal wie sie ausfällt", sagt Dr. Flechtenmacher. "Allerdings ist es auch bei der zweiten Meinung wichtig, dass sie von Kolleginnen oder Kollegen geäußert wird, die die klinische Situation aus einer konservativen und operativen Perspektive beurteilen können." Professor Perl warnt zudem vor Ärztehopping. "Das Zweimeinungsverfahren ist keine Einladung zum Ärztehopping", sagt er. "Die Behandlung von Rückenschmerzen verlangt Vertrauen und eine enge Bindung zwischen den Kranken und den Ärztinnen und Ärzten. Sie ist ein gemeinsamer Weg!"
Am Freitag, den 29. April beschäftigen sich vier Sitzungen der 70. VSOU-Jahrestagung mit dem Schwerpunkthema Wirbelsäule. Das Programm findet man unter: https://sepla.intercongress.de/…
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