Ursprünglich hatte Boric im Wahlkampf angekündigt, linke Ideen umzusetzen und das aktuelle neoliberale System zu Grabe zu tragen. Im letzten Monaten hat der designierte Präsident sein Programm und seinen Ton aber bereits gemäßigt. Auf der wirtschaftlichen Agenda stehen aber weiterhin höhere Steuern, eine größere Einflussnahme der Regierung auf die Wirtschaft, die Stärkung von Gewerkschaften und neue Umweltvorschriften. Ein weiteres bemerkenswertes Versprechen ist die Überarbeitung des Rentensystems und die Einführung einer staatlichen Rente.
Boric vertritt den gemäßigteren Flügel seiner Koalition. Die Credendo-Länderanalysten stellen allerdings die Frage, welchen Einfluss die extreme Linke bei seinem Amtsantritt am 11. März haben wird. Der neue Präsident düfte jedenfalls Schwierigkeiten haben, eine radikale Politik umzusetzen. Der Kongress ist gleichmäßig aus links und rechts besetzt.
Das Andenland ist bekannt für seine neoliberale Wirtschaftspolitik, die zu einem hohen Einkommensniveau (13.470 USD pro Kopf im Jahr 2020), einem hohen Vertrauen ausländischer Investoren, einer großen Offenheit gegenüber Handel und zu einer relativ niedrigen Staatsverschuldung geführt hat. Dies spiegelt sich auch im stärksten Rating für südamerikanische Staatsanleihen wider. Auf der anderen Seite gibt es in Chile mit die höchste Einkommensungleichheit in der OECD, was auch bereits zu Unruhen geführt hat. Dieser Ungleichheit setzt Boric seinen Plan entgegen, die Steuern für Gutverdiener und (Bergbau-) Unternehmen zu erhöhen und im Gegenzug die Qualität von Bildung und Gesundheitsversorgung zu verbessern. Auch die Sozialausgaben sollen steigen. Die vorgeschlagenen Reformen sind teuer, was dem Versprechen zuwiderläuft, nach zwei Jahren fiskalischer Expansion zur Bekämpfung der Coronapandemie Haushaltskonsolidierung zu betreiben. Zudem erwartet Credendo ein geringeres Wirtschaftswachstum. In den Jahren 2022 und 2023 dürfte das Wirtschaftswachstum 2,5 % bzw. 1,9 % betragen, nach beeindruckenden 11 % im Jahr 2021. Daher wird Boric Schwierigkeiten haben, teure Fiskalreformen durchzuführen, ohne die öffentlichen Finanzen zu verschlechtern.
Auch der Kampf gegen den Klimawandel steht ganz oben auf Borics Agenda. Vor allem Bergbauprojekte könnten in den Fokus geraten, da fast die Hälfte der Leistungsbilanzeinnahmen 2020 aus Erzen und Metallexporten stammte. Darüber hinaus ist Chile der größte Kupferproduzent der Welt und der zweitgrößte Lithiumproduzent nach Australien. Angesichts der Bedeutung dieser Metalle für die Weltwirtschaft wird die weitere Entwicklung sowohl national als auch international aufmerksam verfolgt werden.
Credendo stuft das kurzfristige politische Risiko Chiles, das die Liquidität des Landes bewertet, in der besten Kategorie 1/7 ein. Der Ausblick ist nach dem jüngsten Upgrade im September 2021 stabil. Das mittel- und langfristige politische Risiko sieht Credendo in der mittleren Kategorie 3/7. Die größten Abwärtsrisiken sehen die Credendo-Analysten in der Volatilität der Finanzmärkte und des Wechselkurses sowie der Risikoaversion ausländischer Investoren, die die bereits hohe Auslandsverschuldung Chiles unter Druck setzen könnte. Durch die Umsetzung radikaler Maßnahmen könnte die Risikoaversion ausländischer Investoren steigen, was zu Kapitalabflüssen und einer Abwertung des chilenischen Pesos führen könnte. Aufgrund der politischen Unsicherheit hat die Währung gegenüber dem US-Dollar im Vorjahresvergleich bereits etwa 17 % verloren.
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