Verschiedene Skandale in der Wirtschaft der letzten Jahre haben es gezeigt: Bleiben Verstöße in Unternehmen unentdeckt und kommen dann an die Öffentlichkeit, hat das schwerwiegende finanzielle Folgen, die häufig mit einem erheblichen Reputationsschaden einhergehen.
Warum Unternehmen die EU-Whistleblower-Richtlinie umsetzen müssen
Mit der Richtlinie will die EU Hinweisgeber vor arbeitsrechtlichen oder anderen Konsequenzen schützen, wenn sie Missstände aufdecken. Deshalb will die EU sicherstellen, dass insbesondere Beschäftigte Hinweise frühzeitig und anonym an eine glaubwürdige Stelle übermitteln können.
Um welche Verstöße geht es?
Es geht um jeden Verdacht von Verstößen gegen steuerrechtliche, abfallrechtliche oder tierschutzrechtliche EU-Vorschriften, gegen die Datenschutzgrundverordnung oder gegen Wettbewerbs-, Vergabe- oder Verbraucherrechte. Die Hinweisgeber sollen ermutigt werden, solche Verstöße ohne Angst vor Repressionen weiterzugeben. „Gleichzeitig will die EU auch Unternehmen vor falschen Anschuldigungen schützen“, erklärt Rechtsanwältin Janika Sievert in Würzburg. Die Schutzvorschriften für die Hinweisgeber gelten auch für Betroffene, also diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen ein möglicher Verstoß vorgeworfen wird. Deshalb ist die Vertraulichkeit im Verfahren gesetzlich geschützt.
Was muss das Hinweisgebersystem den Whistleblowern ermöglichen?
Die EU-Richtlinie schreibt vor, dass Unternehmen ein Hinweisgebersystem einrichten, das Hinweise entgegennimmt, sie anonymisiert und die Verfolgung der Hinweise ermöglicht. Das System muss daher Folgendes sicherstellen:
- die Entgegennahme von Hinweisen,
- die Aufklärung und Verfolgung der Hinweise sowie
- eine Rückinformation an Hinweisgeber spätestens zwölf Wochen nach Eingang der Information.
Ab wann Unternehmen ein Whistleblower-Schutz-System einrichten müssen
Unternehmen und Behörden sind verpflichtet, ein internes Hinweisgebersystem einzurichten. Wer die Richtlinie wann umsetzen muss, hängt von der Mitarbeiterzahl ab:
- Unternehmen mit 250 oder mehr Beschäftigten müssen ab 17. Dezember 2021 eine Hinweisgeberstelle für Whistleblower einrichten.
- Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten bis zu 249 Beschäftigte müssten eigentlich ebenso zum 17. Dezember 2021 eine Hinweisgeberstelle einrichten, weil der Bundesgesetzgeber die mögliche zweijährige Übergangszeit bisher nicht umgesetzt hat. „Hierzu gibt es unterschiedliche Meinungen“, sagt Rechtsanwältin Sievert, „in der Praxis sehen wir, dass die Unternehmen den Hinweisgeberschutz lieber heute als morgen umsetzen wollen, denn sie können so unkompliziert Schwachstellen aufdecken und Risiken eingrenzen.“
- Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten brauchen keine eigene Hinweisgeberstelle einrichten, sollten es aber trotzdem tun oder mit anderen gemeinsam solche Meldekanäle einrichten. Deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich ansonsten nur an die noch einzurichtenden externen behördlichen Meldestellen wenden. „Dann haben Unternehmen allerdings keinen Einfluss mehr auf die Aufarbeitung“, warnt Keller.
Behörden und Gemeinden
Der 17. Dezember 2021 als Termin für die Umsetzung für den Whistleblower-Schutz gilt auch für alle öffentlichen Stellen und Behörden. Eine Beschränkung auf Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern wurde vom Bundesgesetzgeber ebenfalls bisher nicht umgesetzt. Im Koalitionsvertrag hat sich die jetzige Bundesregierung darauf verständigt, dass sie die Inhalte der EU-Whistleblower-Richtlinie ‚rechtssicher und praktikabel‘ umsetzen möchte. Wann und wie das geschehen soll, ist noch offen. „Dennoch sollten die Unternehmen die Zeit nutzen und sich vorbereiten“, rät Rechtsanwalt Axel Keller in Rostock. „Für unsere Mandanten ist es besonders wichtig, dass sie von Missständen zuerst hören. Und das geht nur, wenn sie in ihren Unternehmen eigene Hinweisgeberstellen einrichten und die Hinweisgeber dann tatsächlich auch geschützt sind und keine Sanktionen fürchten müssen“, sagt Keller.
Ob Steuerhinterziehung, umweltrechtliche Verstöße, Verstöße gegen die Produktsicherheit, Verdacht auf Korruption oder Geldwäsche, Beschwerden über Belästigungen oder Diskriminierung – mit Hilfe einer Vertrauensperson als Mittler lassen sich die gesetzlichen Anforderungen umsetzen. „Unternehmen bekommen so die Chance, dass sie an Informationen über Missstände kommen. Sie können sie aufarbeiten beziehungsweise beseitigen und ihr Compliance-Management verbessern“, erklärt Janika Sievert.
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