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„Etwas Neues herauszufinden, das treibt mich an“

„Etwas Neues herauszufinden, das treibt mich an“ Posted on 19. Dezember 2019

Computer und Maschinen bestimmen unseren Alltag. Roboter kooperieren mit Arbeitern in Werkshallen, Assistenzsysteme planen unsere Reiseroute, Sprachbots spielen auf Zuruf den Lieblingssong. Dienste, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) basieren, sind heute schon oft unsere täglichen Begleiter. Die Zukunft gehört der KI, sind Experten überzeugt. Einer von ihnen ist Prof. Dr. Ricardo Büttner. Der Wirtschaftsinformatiker, der an der Hochschule Aalen Data Science lehrt, baut derzeit eine Arbeitsgruppe für Machine Learning auf. Unterstützt wird er durch das Förderprogramm EXPLOR der Stiftung Kessler + Co. für Bildung und Kultur aus Abtsgmünd. Die Stiftungsmittel sollen neu berufenen Professorinnen und Professoren dabei helfen, Forschungsgruppen aufzubauen.

Eine Professur für Data Science an der Hochschule Aalen – das war für Ricardo Büttner vor mehr als dreißig Jahren jenseits aller Vorstellungskraft. Seine berufliche Zukunft war im Volkseigenen Betrieb Kombinat Mikroelektronik Karl Marx Erfurt vorgesehen. So war der Plan. Der damals Elfjährige fand das okay, schließlich hatte er schon als Kind ein großes Faible für Mathematik und Physik. Und für Computer. „Den ersten Kontakt hatte ich in der Schule, das Programmieren hat mich total fasziniert“, sagt Prof. Dr. Ricardo Büttner. Schnell stand für ihn fest: So einen Kleincomputer möchte er unbedingt haben, und zwar den KC 85/3.

Da die meisten Rechner für die Volksbildung reklamiert wurden, waren sie für Privatpersonen in der damaligen DDR schwer erhältlich. „3885 Ostmark hat der KC 85/3 im Jahr 1989 gekostet, das war absolut illusorisch. Das war so viel wie ein halbes Jahresgehalt“, erzählt der heute 43-Jährige und fügt lachend hinzu: „Ich bin immer vor dem Geschäft langgelaufen und habe mir die Nase am Schaufenster plattgedrückt.“ Doch seinen Traum aufgeben, das war keine Option ihn. Zielstrebig überlegte er sich, wie er an Geld rankommen könnte, und nach zwei Jahren Schülerjobs und eisernem Sparen stand das auf 2.185 Ostmark reduzierte Nachfolgermodell KC 85/4 im Wohnzimmer und wurde an den Fernseher angeschlossen. „Ab da konnten meine Eltern nicht mehr fernsehen, weil ich jeden Tag programmiert habe“, erinnert sich Büttner schmunzelnd. Ein paar Wochen später fiel die Mauer – und der mühsam ersparte Rechner war nichts mehr wert. „Ich hab‘ dann halt wieder angefangen zu sparen, und zwar auf den Amiga 500“, sagt Büttner.

Auch nach dem großen Umbruch der Wende blieb Ricardo Büttner seiner Computer-Leidenschaft treu. An der TU Ilmenau studierte er Informatik und Wirtschaftsingenieurwesen und beschäftigte sich schon während des Studiums mit Neuroinformatik und Machine Learning, einer speziellen Methode der Informationsverarbeitung. Diese lehrt Maschinen sozusagen das Lernen. Sie nutzt neuronale Netze – eine Art künstliches Abstraktionsmodell des menschlichen Gehirns – sowie große Datenmengen. Auf Basis vorhandener Informationen und des neuronalen Netzes kann das System das Erlernte immer wieder mit neuen Inhalten verknüpfen und dadurch erneut lernen. „So ist die Maschine in der Lage, aus vorhandenen Daten und Informationen Muster zu extrahieren und zu klassifizieren“, erläutert Büttner. „Wie schaffen wir es, Maschinen intelligent zu machen? Das ist eine total spannende Frage. Denn Künstliche Intelligenz ist die Schlüsseltechnologie der digitalen Zukunft.“

Nach seinem Uni-Abschluss stieg Prof. Dr. Ricardo Büttner bei BMW ein und entwickelte dort zunächst ein Controlling- und Informationssystem fürs Intranet. Insgesamt arbeitet er neun Jahre für den Automobilkonzern in verschiedenen Funktionen und promovierte berufsbegleitend. Doch der Gedanke, in die Hochschulwelt zurückzukehren und sich verstärkt der Forschung zu widmen, ließ ihn nicht los. „Forschung hat mich immer fasziniert. Etwas Neues herauszufinden, was vorher noch keiner geschafft hat, das treibt mich an“, sagt der Informatiker. Doch die reine Forschung als Selbstzweck ist nicht sein Ding. „Am Ende muss ein Produkt stehen, die Anwendungsorientierung finde ich sehr wichtig.“ Da kam die Ausschreibung einer Data Science-Professur im Studiengang Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Aalen vor zwei Jahren gerade recht. „Das hat mich gleich begeistert. Hier wird die Forschung ernst genommen, auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den vielen forschungsstarken Kollegen finde ich toll“, betont Büttner. Und der Erfolg gibt ihm recht: Erste Publikationen aus der Hochschule Aalen wurden bereits mit Auszeichnungen gekrönt.

Seinem Traum, die Forschung noch stärker mit der Praxis zu verbinden, ist er auch wieder ein Stück nähergekommen. Denn vor kurzem wurden ihm Fördermittel aus dem Förderprogramm EXPLOR der Stiftung Kessler + Co. für Bildung und Kultur aus Abtsgmünd zugesprochen. Mit diesen Mitteln wird der Aufbau von Forschungsgruppen neuberufener Professorinnen und Professoren an der Hochschule Aalen unterstützt. So sollen durch EXPLOR neue Ideen kurzfristig und ohne bürokratischen Aufwand auf Umsetzbarkeit geprüft werden. Rund 40.000 Euro gehen jetzt an Büttner. Damit möchte er einen Demonstrator für den Einsatz von KI in der Produktion zur Qualitätssicherung bauen. Mittels KI-Auswertungen von Kamerabildern kann nämlich die Qualität von Produktoberflächen und die korrekte Lage und Verpackung von Produkten kostengünstig und hochautomatisiert sichergestellt werden. Darüber hinaus ist Büttner maßgeblich daran beteiligt, ein Zentrum für Machine Learning an der Hochschule Aalen aufzubauen und Verfahren und Methoden aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz für eine effiziente Anwendung in der Praxis – insbesondere für die Material- und Werkstoffforschung – weiterzuentwickeln. „Das neue Förderprogramm ist eine großartige Chance, Dinge auszuprobieren, ein idealer Testballon“, sagt der KI-Forscher begeistert.

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