Das Streitthema waren fehlerhafte Prognosen der zu erwartenden Reederei-Überschüsse in einem
Verkaufsprospekt zu einem Schiffsfonds. Nach dem Kenntnisstand der mzs Rechtsanwälte ist dies die erste Entscheidung eines Oberlandesgerichts, in der eine solche Prognoserechnung für nicht vertretbar gehalten wird.
Der Hintergrund
In einer Vielzahl von Gerichtsverfahren wird den Anbietern von in den Jahren 2007 und 2008 aufgelegten Schiffsfonds von Anlegerseite vorgeworfen, dass sie in den Verkaufsprospekten keine oder zu geringe Steigerungen der zu erwartenden Schiffsbetriebskosten einkalkuliert hatten.
Schließlich waren die Schiffsbetriebskosten in allen Segmenten der Handelsschifffahrt in den Jahren 2005 bis 2007 regelrecht explodiert. Das ließ sich nicht nur einer Vielzahl von damaligen nationalen und internationalen Studien, sondern auch einer Fülle von Geschäftsberichten zu betriebenen Schiffen entnehmen.
Insbesondere die Personalkosten, also die Gehälter der Schiffsbesatzungen, waren Jahr für Jahr deutlich angestiegen, was auf die immense Ausweitung der weltweiten Schiffsflotte und einem daraus resultierenden Mangel an ausgebildetem Personal zurückzuführen war. Diese Entwicklung wurde von zahlreichen Fondsanbietern ignoriert, obwohl in nahezu sämtlichen öffentlichen Studien auch für die Folgejahre ein anhaltender Anstieg der Betriebskosten vorhergesagt wurde.
Der Fall
Das OLG Oldenburg hatte darüber zu entscheiden, ob die "Liquiditäts-Prognoserechnungen" zu zwei Zielfonds im Verkaufsprospekt zum Briese Flottenfonds "Wangerooge" vertretbar waren. Diesen Prognoserechnungen war jeweils ein zu erwartender Reederei-Überschuss über die ersten zehn Jahre der Beteiligungsdauer zu entnehmen. Rechnerisch ergab sich dieser Reederei-Überschuss laut Prospekt aus den erzielten Nettoerlösen der Gesellschaft abzüglich der Betriebs- und Verwaltungskosten. Die Betriebskosten wurden dabei genau beziffert. Das so berechnete Ergebnis des Reederei-Überschusses wurde über einen Zeitraum von zehn Jahren – in die Zukunft wohlgemerkt – als im Wesentlichen konstant dargestellt.
Das Urteil
Das Oberlandesgericht Oldenburg hält diese Prognose der zu erwartenden Reederei-Überschüsse für nicht vertretbar. Die Prognose sei nicht durch sorgfältig ermittelte Tatsachen gestützt gewesen.
Um von einem derart konstanten Reederei-Überschuss ausgehen zu können, müssten während des Betrachtungszeitraums die Betriebskosten und die Einnahmen entweder konstant bleiben oder sich in gleichem Umfang verändern – also bei zu erwartende steigenden Betriebskosten auch die Chartereinnahmen steigen.
Das hielt das Gericht für nicht vertretbar, sprich: unseriös. Eine Darstellung von Betriebskosten, die über zehn Jahre konstant bleiben, sei ebenso wenig vertretbar wie die Annahme steigender Charterraten für eine entsprechende Zeitspanne, so das Gericht. Dabei beruft sich das OLG insbesondere auf die Angaben des in der 1. Instanz angehörten Sachverständigen. Der hielt es für unwahrscheinlich, dass sich Schiffe der hier betroffenen Art (ein General-Cargo-Schiff und ein Multipurpose-Frachtschiff) der damaligen Entwicklung von Schiffsbetriebskosten in nennenswerter Weise hätten entziehen können. Vielmehr hatte der Sachverständige in seiner Begutachtung ausgeführt, dass über die Gesamtlaufzeit des Fonds mit steigenden Betriebskosten zu rechnen war.
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts konnte der zu erwartende Anstieg der Betriebskosten auch nicht durch einen zu erwartenden Anstieg der Charterraten kompensiert werden. Schließlich war zwischen den Parteien des Rechtsstreites unstreitig, dass Einnahmen aus Charterraten über einen Zeitraum von zehn Jahren nicht verlässlich prognostiziert werden können.
Die Folgen
Nach Ansicht von Dr. Thomas Meschede, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, der das Urteil für seine Mandantin erstritten hat, gibt die Entscheidung für viele weitere Prozesse die Leitlinien vor, an denen die Prognose von Schiffsbetriebskosten und/oder Reederei-Überschüssen in Prospekten zu Schiffsfonds zu messen sind.
"Besonders freut es mich, dass das OLG das Urteil der 1. Instanz korrigiert und sich das lange Ringen und die Beharrlichkeit in der Argumentation ausgezahlt haben. Wir werden weiterhin mit Nachdruck Schadensersatz von Schiffsfonds-Anbietern fordern, die in Prospekten aus den Jahren 2007 und 2008 unzureichende Angaben zur Entwicklung der Schiffsbetriebskosten gemacht und viele Anleger damit zumindest leichtfertig über die Renditeaussichten der Fonds getäuscht haben", so Dr. Meschede. Allein die Kanzlei mzs Rechtsanwälte führt aktuell Dutzende weitere Prozesse gegen Schiffsfondsanbieter wegen dieser Thematik.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Eine Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen.
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