Die Sturzflut war eine der Unwetterfolgen, die im Frühsommer 2016 vom Tiefdruckgebiet Elvira ausgelöst wurden. Das extreme Abfluss- und Geschiebefrachtereignis führte zu immensen Schäden im Ort.
Meteorologen, Hydrologen und Geomorphologen des Graduiertenkollegs „NatRiskChange“ haben die Naturkatastrophe interdisziplinär untersucht. Mit der Methode der sogenannten forensischen Desasteranalyse erhoben sie kurz nach dem Ereignis die sichtbaren Spuren der Niederschläge, Abflüsse, Hangrutschungen und Geschiebefracht sowie die entstandenen Schäden, um daraus Schlussfolgerungen über Ursachen und Verlauf, mögliche Effekte menschlicher Aktivitäten und künftige Gefährdungen abzuleiten. Unter anderem wurden Niederschlags- und Radardaten des Deutschen Wetterdienstes analysiert, der Maximalabfluss während des Ereignisses abgeschätzt und Abflüsse von Pegeln in der näheren und weiteren Umgebung ausgewertet.
Das Einzugsgebiet des Orlacher Baches lag im Zentrum des lokalen Gewitters. Der Starkregen führte im Zusammenspiel mit den örtlichen Gebietsbedingungen zu einem extremen Abflussereignis und dadurch bedingt zu Sedimenttransport und einer außerordentlichen Geröllmobilisierung. Drei unabhängig voneinander durchgeführte Analyseansätze kamen zu sehr ähnlichen Ergebnissen: Es zeigten sich Spitzenabflusswerte des Orlacher Bachs im Bereich von Braunsbach von 100 bis 150 Kubikmetern pro Sekunde. Das ist das 500- bis 800-fache des Normalen. Diese sehr hohen Differenzen belegen sowohl den ausgesprochenen Sturzflutcharakter des Ereignisses als auch dessen extreme Ausprägung. Bisherige Schätzwerte für Hochwasser in diesem Gebiet wurden bei Weitem übertroffen, auch wenn – in Ermangelung direkter Abflussmessungen während des Ereignisses – die analysierten Abflussraten mit erheblichen Unsicherheiten behaftet sind.
Was den Einfluss des Menschen auf Klima, Landschaft und Wasserkreislauf betrifft, so können die Wissenschaftler keine konkreten einzelnen Ursachen feststellen. Gleichwohl weisen sie darauf hin, dass sich menschliches Handeln auf die Entstehung, Häufigkeit und den Ablauf von Hochwasserereignissen auswirke. Klimaänderungen, bestimmte Landnutzungen und Flussbaumaßnahmen haben auch das Ereignis in Braunsbach beeinflusst. So müsse man infolge der globalen bzw. regionalen Erwärmung mit häufigeren und stärkeren Sturzflutereignissen rechnen, sagen die Wissenschaftler. Auch die Landnutzung, die spezifischen geomorphologischen Bedingungen in der Orlacher Klinge, und die Abflusskapazitäten des Bachs hätten einen Einfluss auf die Entstehung und den Verlauf solcher Sturzfluten. Für sehr starke Niederschläge sei die relative Bedeutung der Landnutzung aber eher geringer. Die wissenschaftliche Herausforderung liege nun darin, das Ausmaß der genannten anthropogenen Effekte zu quantifizieren und im Vergleich zu Hochwasserereignissen ohne menschliche Einwirkungen zu stellen.
„Aufgrund der komplexen Prozesse eines solchen Ereignisses ist eine natürliche oder durch den Menschen bedingte Einzelursache seriös nicht identifizierbar, da erst das Zusammenwirken verschiedener Prozesse und Maßnahmen zu einem solch extremen Ereignis führt“, sagt der Sprecher des Graduiertenkollegs, Prof. Dr. Axel Bronstert. „Unsere Untersuchungen zeigen, dass für die Analyse der Gefährdung durch Sturzfluten jeweils die besonderen örtlichen Bedingungen betrachtet werden müssen, wie zum Beispiel ein hoher Feststofftransport und sehr kurzfristige Abflussdynamiken. Nur so können effektive Schutzmaßnahmen ergriffen werden.“
Zeit: 12.10.2017, 19:00 Uhr
Ort: Grundschule Braunsbach, Schulstraße, 74542 Braunsbach
Kontakt: Dr. Theresia Petrow, Projektkoordinatorin, DFG-Graduiertenkolleg „NatRiskChange“
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